Selbsthilfegruppe
Anonyme Spieler
Photo: Komm.-Rat Wilhelm Gizicki
Komm.-Rat
Wilhelm Gizicki †

Ich war auch ein Betroffener

Durch mein exzessives Spielen habe ich meine gut gehende Autozubehörfirma, in der ich 50 Mitarbeiter beschäftigte und die ich selbst aufgebaut und über 30 Jahre geführt habe, verloren.
20 Jahre hat mich das Spielen leidenschaftlich fasziniert. Meine Interessen kreisten zunehmend nur um das Spielen. Ich geriet in einen Teufelskreis: Gewann ich, wollte ich mehr, verlor ich, wollte ich das Geld zurück haben. Ziemlich lange hatte ich mich zumindest finanziell, unter Kontrolle. Das exzessive Spielen begann jedoch, als meine Tochter aus erster Ehe krank wurde und starb. In zehn Monaten verlor ich etwa 10 Millionen Schilling (ca. 725.000 €).
Es war aber nicht der Geldverlust allein, der meine wirklich gut gehende Firma zum Zusammenbruch führte, sondern auch die Tatsache, dass es mir in diesen zehn Monaten unmöglich war, ernsthaft zu arbeiten.
Jeden Tag wartete ich unruhig auf den Spielbeginn. Kam ich in den frühen Morgenstunden nach hohen Verlusten nach Hause, hatte ich zwar die feste Absicht, nicht mehr zu Spielen, doch beim Aufstehen überlegte ich schon: vielleicht zwei, drei Stunden am Abend. Mittags wollte ich gemütlich spazieren gehen und hielt bereits nach ein paar Schritten ein Taxi auf, um ja keine Sekunde nach dem Aufsperren des Casinos dort zu sein und spielen zu können.
Die Nächte die ich mit dem Spielen verbrachte, erregten mich derart, dass ich nicht einschlafen konnte. Meine Gedanken waren Tag und Nacht beim Spiel. Unter der mangelnden Fähigkeit, mich zu konzentrieren, litt natürlich sehr stark meine Arbeitsqualität. Meine Planungen in der Firma waren durch den Zeitverlust auf das Äußerste gestört, und zwar in mehrfacher Hinsicht: erstens auf Grund der großen finanziellen Verluste, und zweitens, weil ich unfähig war, meiner Arbeit richtig nachzugehen.
Dies führte dazu, dass ich den Ausgleich anmelden musste. Die Folgen waren Selbstmordgedanken und ein Nervenzusammenbruch.

Hilfe für Mitbetroffene

Durch den Verlust meiner beruflichen Existenz, aus seelischer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit ist in mir der Wunsch entstanden, anderen Betroffenen und Mitbetroffenen zu helfen.
1982 gründete ich den Verein "Anonyme Spieler", der sich im Laufe der Jahre von einer Selbsthilfegruppe zum professionellen Beratungs- und Therapiezentrum "AS" weiterentwickelt hat und heute aus dem sozialen Netz Österreichs nicht mehr wegzudenken ist. In Würdigung dessen wurde mir 1991 das goldene Verdienstzeichen des Landes Wien und 1999 das goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich verliehen. Darüber hinaus wurde ich zweimal mit einem Preis der Leopold Gratz-Stiftung ausgezeichnet.
Die Aufgabe, Mitbetroffenen zu helfen, hat mein Leben total verändert. Dinge, die mir früher wichtig waren, sind zur Bedeutungslosigkeit abgesunken! Ich habe gelernt, wichtige Dinge des Lebens zu erahnen. Am wichtigsten ist es, mit sich selbst in Einklang zu leben, was nur dann möglich ist, wenn man aufhört, sich und seine Umwelt zu belügen.
Das so genannte "schöne Leben" brachte mir nur Enttäuschungen. Die Möglichkeit, anderen Suchenden einen Weg aufzuzeigen, erfüllt mich mit Glück und Freude - etwas, das ich früher nicht kannte und erst jetzt zu würdigen weiß. Der materielle Verlust wurde für mich zu einem geistigen Gewinn.
In den vergangenen 20 Jahren haben sich bereits mehr als 20.000 Menschen Hilfe suchend an die Beratungsstelle-Therapiezentrum "AS" gewandt. Vielen von ihnen konnte geholfen werden.
Eines der Ziele des Beratungs- und Therapiezentrums war stets, in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für diesen Problembereich zu wecken, auf die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren aufmerksam zu machen und für die individuellen und sozialen Folgen zu sensibilisieren. Es hat lange gedauert, bis auch das Spielen als süchtiges Verhalten, ähnlich anderen Suchtformen, gesehen wurde.
Seit 1982 ist viel geschehen. Das pathologische Glücksspielverhalten wurde inzwischen (1991) von der Weltgesundheitsorganisation als Krankheit anerkannt, und auch in Österreich ist das Bewusstsein für diesen Problembereich sehr gewachsen, nicht zuletzt durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit der Beratungsstelle-Therapiezentrum "AS". Durch Aufklären und Informieren vorbeugend zu wirken, erscheint mir wichtig in einer Zeit, in der durch immer neue Glücksspielangebote so viele Menschen mit dem Glücksspiel konfrontiert werden und in der durch die Ausweitung des Konto- und Kreditwesens die Grenzen der eigenen Möglichkeiten leicht überschritten werden können.
Photo: Elisabeth Gizicki-Merkinger
Elisabeth Gizicki-
Merkinger

Selbsthilfegruppe Anonyme Spieler - W. Gizicki

Die große Nachfrage der Hilfesuchenden hat mich bereits im 90. Lebensjahr stehend motiviert im Juni 2006 mit meiner Frau, die bereits sechs Jahre als Sozial- und Schuldnerberaterin für die SpielerInnen und Angehörige tätig war, einen neuen Verein die Selbsthilfegruppe Anonyme Spieler - W. Gizicki zu gründen.
Heute befindet sich der Vereinssitz in 1230 Wien, Rudolf-Zeller-Gasse 69/8/10.